Indisches Sandsteintor mit Ornamenten vor einem Gebäude

Die Entdeckung der Urpositive

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Was das Sanchi-Tor im Innersten zusammenhält und warum Abgüsse und Abformungen immer noch kleine Sensationen sind: Fragen an Chefrestaurator Toralf Gabsch

Das aus Indien stammende Sanchi-Tor ist ein treuer Wegbegleiter des Ethnologischen Museums. Ein erster Abguss aus Gips vom Osttor in Sanchi wurde 1886 für das Völkerkundemuseum in der Stresemannstraße erworben und bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges dort im Lichthof ausgestellt. Eine zweite Abformung aus Kunstzement schmückt seit Anfang der 1970er Jahre den Außenraum vor der Cafeteria der Dahlemer Museen. Toralf Gabsch, Leiter der Restaurierung des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst, über die kunsttechnologische Geschichte des Berliner Sanchi-Tores, glückliche Fügungen und Neuschaffungen für das Humboldt Forum.

Sind noch Spuren des in der Stresemannstraße gezeigten ersten Tores erhalten geblieben?

Gabsch: Die alten Abgüsse besitzen wir noch. Sie haben den Zweiten Weltkrieg überstanden und befinden sich heute restauriert in unserem Depot in Friedrichshagen. Zusammengefügt würden die einzelnen Reliefplatten wieder ein komplettes Sanchi-Tor ergeben. Durch die erhaltenen Positive konnten für die Neueröffnung des Museums für Indische Kunst in den 1970er Jahren in Dahlem Formen für einen neuen Kunstzement-Abguss angefertigt werden. Die so entstandenen Silikonformen mit Gipsschale wurden dann mit einem Spezialzement ausgegossen und neue Positive hergestellt. Diese Positive, also die einzelnen Reliefplatten des Tores mit einer Wandstärke von rund 2,5 Zentimetern, wurden dann um einen Metallkern herum zusammengefügt.

Die Urpositive, die Ende des 19. Jahrhunderts in England erworben und im Völkerkundemuseums ausgestellt wurden, waren also die Grundlage für die Schaffung des Tores im Dahlemer Museumsgarten. Und letztendlich auch durch eine Verkettung günstiger Umstände für den 2021 hergestellten Teilabguss in der Ausstellung im Humboldt Forum die Vorlage.

Indisches Sandsteintor mit Ornamenten vor einem Gebäude
Rückansicht auf den Abguss des Sanchi Tors vor den Dahlemer Museen 2001 © Staatliche Museen zu Berlin / Iris Papadopoulos
Gemälde eines indischen Tores im Freien
Tor zum buddhistischen Stupa in Sanchi, Gemälde von William Simpson, Indien 1865 © Victoria & Albert Museum, London
Sepiaaufnahme eines indischen Tors in einem Museum
Der ‚Ur-Abguss‘ des Ost-Tors von Sanchi in seiner ersten Dauer-Aufstellung im Casts Court im South Kensington Museum in London ab 1872 © Staatliche Museen zu Berlin

Wie konnte dieser Neuabguss für die Ausstellung des Museums für Asiatische Kunst im Humboldt Forum entstehen?

1996 habe ich die gesamte Sammlung der Gipsabgüsse im Keller des Museums gesichtet – unter ihnen fand ich auch die Urpositive des Sanchi-Tores. Über die nächsten Jahre habe ich diese Sammlung gemeinsam mit einem Kollegen in mühevoller Kleinarbeit restauriert und damit erst wieder nutzbar gemacht. Es gab ja Zeiten, in denen Gipsabgüssen keine große Wertschätzung entgegengebracht und längst nicht alles aufbewahrt wurde. Glücklicherweise waren auch die Ende der 60er Jahre entstandenen Silikonformen mit Gipsschale noch vorhanden. Diese konnten wir jetzt noch einmal und letztmalig für die Abformung des in der Ausstellung im 3. Obergeschoss des Humboldt Forums gezeigten Teil des Tores nutzen. Silikon baut sich auf natürliche Weise ab und mit dieser Neuabformung haben die Formen das Ende ihrer Nutzbarkeit erreicht. Das macht aber auch gar nichts, da wir ja noch die originalen Positive haben. Mit denen könnten wir immer wieder Formen herstellen und damit auch weitere Tore erzeugen.   

Zur Abformung für den Innenraum wurde dieses Mal ein neues und leichteres Trägermaterial, nämlich Acystal, genutzt. Die gegossenen Teile wurden dann nach Originalbefund farblich und strukturell einem Sandstein nachempfunden. Man muss wirklich sehr nah rangehen, um einen Unterschied zum Originalstein in Sanchi, an dem wir uns hierbei orientiert haben, zu erkennen.

Ein wiederum anderer Werkstoff wurde für das im Außenraum des Humboldt Forums entstehende Sanchi-Tor genutzt, roter Mainsandstein. Der große Vorteil von Sandstein ist natürlich die Langlebigkeit – gerade bei einer Verwendung im Außenraum. Dieses Tor wurde von der Stiftung Humboldt Forum als bildhauerische Arbeit in Bamberg in Auftrag gegeben und ist, wenn man die Teilabformung für die Ausstellung des Museums für Asiatische Kunst im Humboldt Forum mitzählt, schon das Tor Nr. 4 für Berlin und seine Gäste.

Existieren noch andere historische Abformungen des Sanchi-Tors?

Meiner Kenntnis nach haben wir die letzten noch erhaltenen Positive der historischen Abgüsse in unserer Sammlung. In den anderen europäischen Museen sind diese aus verschiedenen Gründen nicht erhalten geblieben.

Die Genauigkeit der Positive, die wir haben, übertrifft heute bei weitem den Zustand in Sanchi, da die natürliche Verwitterung an solchen Bauwerken immer nagt. Unsere Abformung dokumentiert also einen Zustand, der in Bezug auf das heutige Tor in Sanchi rund 150 Jahre zurückliegt. Die Originalpositve lagern heute in einem Depot der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Friedrichshagen und stehen dort der Forschung zur Verfügung.


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