Ein Fuchs kommt selten allein

News vom 08.02.2016

Werke von Man Ray, Barbara Klemm oder Heinz Hajek Halke – das sind nur einige der Neuerwerbungen der Sammlung Fotografie der Kunstbibliothek, die sie im Museum für Fotografie in ihrer nächsten Ausstellung „Ein Foto kommt selten allein“ zeigen wird. Nicht erworben sondern zurückgekehrt ist kürzlich eine verschollen geglaubte Bilderserie von Ottomar Anschütz. Was ist das Besondere an diesen Aufnahmen von 1886, wie fanden sie den Weg zurück und wer war Anschütz eigentlich? Darüber sprachen wir mit dem Kurator Ludger Derenthal.

Historische Momentaufnahme eines Fuchses von Ottomar Anschütz aus dem Jahr 1886
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Ottomar Anschütz

Vor kurzem hat die Kunstbibliothek Werke des Fotografen Ottomar Anschütz zurückerhalten. Was sind das für Bilder?

Es sind sehr frühe Momentaufnahmen eines Fuchses. Sie waren Teil eines viel größeren Konvoluts an Tierfotografien, die1887 als Material für die Studierenden der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums erworben wurden. Anschütz hat sich bereits ab den 1880er Jahren mit Serienfotografie und Momentaufnahmen beschäftigt – also mit Bildern, die mit einer sehr kurzen Belichtungszeit entstehen. Gerade für Künstler war das interessant, denn man konnte gut sehen, wie sich das Tier oder der Mensch bewegte. Es gab noch sehr viel mehr Aufnahmen von Tieren: Hühner, Hunde, Füchse, Wölfe, Rehe, Pferde, Wildschweine, Dachse. Besonders berühmt geworden sind die Störche, weil Anschütz die Tiere im Anflug fotografiert hat. Der größte Teil dieser Bilder ist leider verloren. Aber immerhin haben wir zwei Serien wieder: Die Wölfe, und nun eben die Füchse.

Und wie sind die Bilder zurück ins Museum gekommen?

Die Bilder mit den Füchsen waren in einem Auktionskatalog abgebildet, und als ich sie gesehen habe, hat es gleich „Klick“ gemacht. Über das  Auktionshaus haben wir uns an den Anbieter Dr. Jens Mattow gewandt, der sich umgehend zur Rückgabe an die Kunstbibliothek entschlossen hat. Dafür ist ihm wirklich sehr zu danken.

Wer war Ottomar Anschütz denn nun eigentlich genau?

Anschütz ist durch die Momentaufnahmen und auch seine Bewegungsaufnahmen bekannt geworden. Er hat zum Beispiel ein springendes Pferd samt Reiter fotografiert, oder auch Diskuswerfer. Das haben auch andere wie Eadweard Muybridge gemacht, der damit allerdings noch viel berühmter wurde. Die beiden haben sich auch unterschiedlicher Verfahren bedient, um eine Foto-Serie zu erhalten: Muybridge hat viele Kameras nebeneinander gestellt, Anschütz hat hingegen einen Fotoapparat mit Schlitzverschluss entworfen, mit dem man besonders schnell Aufnahmen machen konnte. Der Vorteil bei diesem Schlitzverschluss-Verfahren ist, dass die Durchzeichnung der Modelle sehr viel besser ist. Bei Anschütz‘ Bewegungsbildern kann man also etwa Muskelbewegungen sehr viel deutlicher sehen als bei Muybridge. Aber Muybridge war eben der erste, hatte bessere Kontakte und wurde darum viel berühmter.

Und wie funktionierte diese Schlitzverschlusskamera genau?

Ottomar Anschütz baute die Kamera so, dass der Verschluss wie eine Jalousie runterging – so blieb nur ein schmaler Schlitz, durch den das Licht auf die Bildplatte fiel. Das war eine große Neuerung, zu der Zeit arbeitete man meistens noch mit dem Objektivdeckel, der einfach per Hand abgenommen wurde. Damit konnte man natürlich nicht so kurze Belichtungszeiten erreichen. Anschütz hingegen verkürzte die Belichtung auf  tausendstel Sekunden und erhielt dadurch scharfe Aufnahmen von Objekten in Bewegung. Den ersten Verschluss hat er selbst gebaut, mit einem Mechaniker als Assistenten. Später kooperierte er mit der Berliner Kamerafirma Goerz. Die Goerz-Anschütz-Kamera war weit verbreitet, Bewegungs- und Momentaufnahmen konnte damit dann jeder machen. Anschütz ist übrigens auch noch bekannt für die Fotos von Kaisermanövern und von den ersten Flugversuchen Otto Lilienthals. Einige dieser Bilder hat auch die stiftungseigene bpk Bildagentur im Portfolio.

Werden die Füchse von Ottomar Anschütz auch in der Ausstellung „Ein Foto kommt selten allein. Paare, Reihen und Serien aus der Sammlung Fotografie der Kunstbibliothek“ zu sehen sein, die demnächst beginnt?

Nein, denn die Ausstellung zeigt unsere Erwerbungen aus den letzten 25 Jahren, und die Anschütz-Bilder sind ja eher Rückkehrer, die schon in der Sammlung waren, und keine Neuerwerbungen. Außerdem haben wir uns bei der Ausstellung auf das 20. und 21. Jahrhundert beschränkt.

Was sind die bekanntesten Namen, die Highlights Ihrer Erwerbungen?

Man Ray, Barbara Klemm, Heinz Hajek Halke - es sind viele berühmte Namen dabei. Aber auf der anderen Seite ist es auch so, dass einige Sachen darunter sind, die hoffentlich schöne neue Entdeckungen sind.

Wie haben Sie die Fotos erworben?

Uns stehen zwar nur sehr selten umfangreiche Erwerbungsmittel zur Verfügung, aber zum Glück haben wir Gönner. Vor allem sind es Fotografen, von ihnen haben wir etwa die Hälfte der neu erworbenen Objekte bekommen. Oft sind es auch ganze Nachlässe, die wir erhalten. Auch über unseren Freundeskreis kam viel in die Sammlung.

Das Gespräch führte Birgit Jöbstl.

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