Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats des IAI zum Gutachten des Wissenschaftsrats

News vom 23.09.2020

Der Wissenschaftliche Beirat des Ibero-Amerikanischen Instituts äußert sich in einer Stellungnahme zum Gutachten des Wissenschaftsrats und zum weiteren Reformprozess in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz:

Innenansicht einer Bibliothek
© SPK / Benne Ochs

Der Wissenschaftliche Beirat des Ibero-Amerikanischen Instituts (IAI) hat am 31. August 2020 eine außerordentliche Sitzung abgehalten. In dieser Sitzung haben wir uns mit den Ergebnissen der Evaluation des IAI und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) allgemein durch den Wissenschaftsrat auseinandergesetzt. Wir haben darüber hinaus mögliche Zukunftsszenarien für das Institut diskutiert und die hierfür erforderlichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen identifiziert. Diese Sondersitzung war aber nur der erste Schritt in einem längeren Prozess, in dem wir – wie immer – das IAI kritisch und engagiert begleiten werden. Denn wir sind uns alle der Verantwortung für diese so wichtige und international einmalige Einrichtung der außeruniversitären Regionalforschung bewusst.

Wir haben uns sehr über die exzellente Evaluation des Ibero-Amerikanischen Instituts (IAI) durch den Wissenschaftsrat gefreut. Diese ist eine Anerkennung der hervorragenden Arbeit des Instituts, seiner spartenübergreifenden Vernetzung und seiner zentralen Rolle sowohl im nationalen als auch im internationalen Kontext für den wissenschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen Lateinamerika, der Karibik, Spanien und Portugal einerseits und Europa andererseits. Hierbei ist es uns als Wissenschaftlichem Beirat wichtig zu betonen, dass nicht nur die einzelnen Arbeitsbereiche des IAI – Bibliothek, Wissenschaft und Forschung sowie kulturelle Vermittlung – sehr gut bewertet wurden, sondern ganz besonders auch die Innovationskraft der Verknüpfung dieser Arbeitsbereiche hervorgehoben wurde.

Im Bericht des Wissenschaftsrats wird unterstrichen, dass das IAI sehr erfolgreich eine einzigartige, gut austarierte Balance und integrative Struktur aus Forschungsbibliothek, Forschungsinstitut und Kulturzentrum erreicht hat und diese in Zukunft auch unbedingt beibehalten sollte. Der Wissenschaftsrat bewertet außerdem sehr positiv, dass das IAI nicht nur in all seinen Arbeitsbereichen strategisch gut aufgestellt und international sehr gut vernetzt ist, sondern sich auch „sehr engagiert in strategische Überlegungen innerhalb der SPK eingebracht [hat] und sich um eine engere Vernetzung mit den anderen Einrichtungen bemüht“.

Wie der Wissenschaftsrat deutlich herausstellt, ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des IAI seine große Autonomie und Gestaltungsfreiheit. Umso unverständlicher und argumentativ nicht nahvollziehbar ist deshalb für den Wissenschaftlichen Beirat die Empfehlung des Wissenschaftsrats, dass das Ibero-Amerikanische Institut „als rechtlich selbständiges An-Institut der Staatsbibliothek zu Berlin geführt werden [sollte], das dem Bund gegenüber von der Staatsbibliothek vertreten wird“ und dass dessen Personalverwaltung sowie weitere Dienstleistungen von der Staatsbibliothek geleistet werden sollen. Es ist offensichtlich, dass dieses Modell das IAI in seiner Gestaltungsfreiheit und Innovationskraft schwächen und deshalb die Basis für seinen Erfolg erodieren würde. Der Wissenschaftliche Beirat sieht hier einen Widerspruch in der Bewertung der Leistungen und Besonderheiten des IAI einerseits und der für das IAI vorgeschlagenen künftigen strukturellen Einbindung andererseits. Daher spricht der Wissenschaftliche Beirat sich nachdrücklich gegen diese Empfehlung des Wissenschaftsrats aus, die die Zukunftsfähigkeit des Ibero-Amerikanischen Instituts als innovative und gestaltungsstarke Institution gefährdet, ja sogar in Frage stellt.

Sollte das IAI als Ergebnis des nun anstehenden Reformprozesses ein autonomes, alleinstehendes Institut unter BKM werden, so wäre hierfür ein Modell zu entwickeln, das seine Eigenständigkeit und Handlungsfähigkeit, seine Anerkennung als außeruniversitäre Einrichtung der Area Studies, die in einzigartiger Weise Bibliothek, Forschung und Kultur verknüpft sowie seine internationale Sichtbarkeit und Vernetzungsstärke sicherzustellen vermag.

Was die SPK insgesamt angeht, beurteilen wir als Wissenschaftlicher Beirat des IAI das vom Wissenschaftsrat empfohlene „Aufschneiden“ der SPK an ihren Sparten – Museen, Bibliotheken, Archive – als ein äußerst traditionelles und wenig zukunftsweisendes Vorgehen. Es widerspricht nationalen und internationalen Entwicklungen in Wissenschaft und Kultur, die gerade im Kontext der digitalen Transformation und der zunehmenden globalen Verflechtungen die Förderung von Vernetzungen und Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Kultur betonen. Das IAI zeigt, wie erfolgreich es trotz aller begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen sein kann, spartenübergreifend zu arbeiten und Verknüpfungen zu stärken, um so auch stärker in die Gesellschaft hineinzuwirken. Denn im internationalen Vergleich weist die Konfiguration SPK eine Reihe von Potenzialen auf, die es in Zukunft noch weitaus besser zu nutzen und auszubauen gilt: multiple Vernetzungsmöglichkeiten, spartenübergreifendes Arbeiten, eine Größe, die mit einer hohen nationalen, europäischen und globalen Sichtbarkeit einhergeht, Internationalität, wachsende Digitalität, vor allem aber auch das Potenzial, gemeinsame inhaltliche Schwerpunkte zu etablieren und sich mit zentrale gesellschaftliche Fragen auseinandersetzen.

Das Ibero-Amerikanische Institut ist mit seiner spezifischen Expertise sowie seiner strategischen Ausrichtung ein wichtiger Akteur für die nun anstehenden grundlegenden Reformen der SPK. Es verknüpft in einzigartiger Weise Bibliothek, Forschung und Kulturvermittlung und repräsentiert somit im Kleinen, was die SPK vom Potenzial her im Großen ausmacht. Es zeichnet sich durch einen hohen Grad an nationaler und internationaler Vernetzung und eine beachtliche Drittmittelstärke aus. Somit setzt es auch wichtige Impulse und bringt umfassende Kenntnisse ein, was autonomes Verwaltungshandeln in einem internationalen, kompetitiven Umfeld bedeutet und wie das Verhältnis zwischen Dezentralität und Zentralität optimal austariert werden kann. Aufgrund seines Profils und seiner Erfahrungen ist das Ibero-Amerikanische Institut darüber hinaus zentraler Impulsgeber für die inhaltliche Weiterentwicklung und Verknüpfung der Museen, Bibliotheken, Archive und Forschungseinrichtungen der SPK. Der Wissenschaftliche Beirat hat deshalb von Anfang an das Engagement des IAI im Forschungscampus Dahlem begrüßt.

Bei allem Verständnis für den Fokus im Reformprozess und den politischen Debatten auf den Staatlichen Museen zu Berlin, möchten wir als Wissenschaftlicher Beirat darauf hinweisen, dass gerade das IAI national und international anerkannte Kompetenzen und Expertisen in zentralen Zukunftsfeldern hat, die für alle Einrichtungen der SPK von Bedeutung sind oder werden könnten. Wir sehen daher seine Zukunft durchaus im Sinne eines starken Mitglieds einer neu ausgerichteten Stiftung.

  • Prof. Dr. Dirk Messner (Präsident, Bundesumweltamt), Vorsitzender
  • Prof. Dr. Eveline Dürr (Universität München, München)
  • Ronald Grätz (Generalsekretär, Institut für Auslandsbeziehungen Stuttgart)
  • Dr. Dietrich Halm (Direktor, Internationale Kooperation mit Lateinamerika, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bonn)
  • Prof. Dr. Silke Hensel (Universität Münster, Münster)
  • Prof. Dr. Jens R. Hentschke (Newcastle University, Newcastle)
  • Prof. Dr. Johannes Kabatek (Universität Zürich, Zürich)
  • Prof. Dr. Susanne Klengel (Freie Universität Berlin, Berlin)

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