Matthias Wemhoff, seit 2008 Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte

„Dranbleiben und machen“ – Matthias Wemhoff

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Heinrich Schliemann, die Wikinger, der Verbleib der Prussia-Sammlung, archäologische Grabungen im Herzen Berlins oder Turkmenistan sind nur einige der Themen, die Matthias Wemhoff beschäftigen. Der Direktor des Museums für Vor-und Frühgeschichte ist so umtriebig, wie die Objekte seiner Sammlungen alt sind: ganz schön nämlich.

Was hat sich im Museum für Vor- und Frühgeschichte in den letzten zehn Jahren geändert?

Ganz schön viel! Ich hatte das Glück, 18 Monate vor der Eröffnung des Neuen Museums anzufangen. So konnte ich noch viele Ideen in die Konzeption unserer Ausstellung einbringen und den wirklichen Neubeginn dort mitgestalten und miterleben. Der Umzug aus dem Langhansbau am Schloss Charlottenburg in das Herz der Berliner Museumslandschaft ist für das Museum für Vor- und Frühgeschichte ein ganz großer Schritt und gleichzeitig die Anknüpfung an die eigene Geschichte, denn hier wurde bereits um 1850 der erste Raum für die Aufnahme einer „Sammlung Vaterländischer Altertümer“ gestaltet.

Vor 5 Jahren sind wir dann mit unseren Büros, mit dem Archiv und mit der Bibliothek in das Archäologische Zentrum in der Geschwister- Scholl Straße in unmittelbarer Nähe der Museumsinsel umgezogen. Auch dies ist ein wichtiger Schritt in der Neuaufstellung des Museums.

Matthias Wemhoff, seit 2008 Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte

Matthias Wemhoff, seit 2008 Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte © SPK/photothek.net/Florian Gaertner

Auf welches Projekt oder welche Ausstellung sind Sie besonders stolz und warum?

Da möchte ich drei Vorhaben nennen: Bei der Eröffnung des Neuen Museums vor neun Jahren ist es mir gelungen, die dauerhafte Einrichtung der Ebene 3 mit unseren Abteilungen Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit von dem Eröffnungstermin zu entkoppeln. Wir haben zunächst mit einer temporären einfachen Präsentation in den Ausstellungsräumen experimentiert und aufgrund dieser Erfahrungen dann die neue Dauerausstellung sorgfältig geplant und mit vielen neuen Elementen versehen, die so einige Jahre zuvor nicht möglich gewesen wären.

Das zweite große Projekt ist die Ausstellung „Russen und Deutsche. 1000 Jahre Kunst, Geschichte und Kultur“ gewesen, die 2012 im Historischen Museum in Moskau und im Neuen Museum in Berlin gezeigt werden konnte. Es ist uns gelungen, mit den russischen Kollegen einvernehmlich die Objekte auszuwählen und einen großen, zweibändigen Katalog zu erstellen. Diese Ausstellung ermöglichte viele neue Sichtweisen auch auf bisher noch nie präsentierte Objekte und hat den Blick auch in historische Epochen geöffnet, die bisher ziemlich von der Fokussierung auf die letzten Jahrhunderte überlagert gewesen sind.

Natürlich darf bei einer solchen Auflistung auch nicht die Wikingerausstellung fehlen, die im Martin-Gropius Bau 2014 180.000 Besucher begeisterte. Es war schon unbeschreiblich, wie das größte bisher entdeckte Schiff der Wikingerzeit hier die Segel setzen konnte. Ein etwas kleinerer Nachbau eines anderen Schiffes ist zur Eröffnung tatsächlich von einer dänischen Besatzung durch die Spree gerudert worden und Bundespräsident Gauck und Königin Margarethe II. haben das Schiff noch vor der Ausstellungseröffnung besucht.

Daneben haben wir viel Energie in die Konzeption und Durchführung von Forschungsvorhaben gesetzt. Vor allem die Projekte mit der Prussia Sammlung sind mir besonders wichtig. Die Prussia Sammlung umfasst die im Königsberger Schloss verwahrten archäologischen Objekte aus der ehemaligen Provinz Ostpreußen und ist zum großen Teil mit den letzten Trecks aus Ostpreußen heraus gebracht worden und befindet sich heute in unserem Museum. Wir arbeiten die Bestände im Rahmen von DFG Projekten und insbesondere im Rahmen des Projektes „Forschungskontinuität und Kontinuitätsforschung“ der Mainzer Akademie der Wissenschaften zusammen mit dem Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie in Schleswig in enger Kooperation mit polnischen, russischen und litauischen Kolleginnen und Kollegen auf. Ein wunderbares Netzwerk ist so bereits entstanden.

Womit sind Sie am schönsten gescheitert?

Kann man schön scheitern? Bisher habe ich die mir besonders wichtigen Projekte auch umgesetzt. Dazu war aber häufig ganz schön viel Beharrlichkeit, manches Mal vielleicht auch Hartnäckigkeit und vor allem ganz viel Hilfe und Unterstützung von dem wirklich tollen, kompetenten und leistungsfähigen Team unseres Museums und vieler in der Verwaltung der Staatlichen Museen und der SPK notwendig.  Besonders schwierig ist oft die Beschaffung der notwendigen Mittel gewesen. Die Wikingerausstellung stand 2014 aufgrund der schlechten Finanzlage der SMB fast vor dem Scheitern. Die Sitzungen und Verhandlungen dort sind mir sehr einschneidend in Erinnerung. Aber wir haben es gemeinsam geschafft und die Ausstellung zu einem großen Erfolg gemacht.  Überhaupt, man muss hier in Berlin dranbleiben und „machen“, dann findet sich auch ein Weg.

Was hat Sie am meisten überrascht?

Die Dauer vieler Projekte hat mich besonders überrascht. Ich kann nur von Glück sprechen, dass wir mit dem Neuen Museum ein Haus haben, das termingerecht fertiggestellt worden ist. Die lange Verzögerung der Eröffnung der James Simon Galerie hat uns schon einige Probleme bereitet. Gleiches gilt auch für die Projekte mit dem Land Berlin, etwa für das „Haus am Petriplatz“. Dort sollen unsere Werkstätten und Teile der Magazine ein neues Obdach finden und gleichzeitig hat dieses Haus ein gemeinsam mit dem Land Berlin entwickeltes, sehr innovatives Vermittlungskonzept. Der Wettbewerb dafür ist bereits 2012 entschieden worden. Ich hoffe sehr, dass nun, acht Jahre später, der Baubeginn bald bevorsteht.

Die Veränderung des Aufgabengebietes als Museumsdirektor hier in Berlin hat mich überrascht und gefordert. Gerade beim Neuen Museum wird das deutlich. Anders als in meinen vorherigen Berufsstationen ist hier ganz stark die Vertretung und Präsenz im Austausch mit Einrichtungen außerhalb Deutschlands gefragt. Dies gilt sowohl für museale wie für wissenschaftliche Projekte. Dabei sind spannende Erfahrungen immer möglich, so etwa mit der Ausstellung „Margiana. Ein Königreich der Bronzezeit in Turkmenistan", die wir mit Kulturministerium in Turkmenistan entwickelt haben. Im innerdeutschen Geschehen zeigt sich deutlich, dass dem Museum auch viele Aufgaben in der Vermittlung von Zielen und Inhalten der deutschen Archäologie sowohl im medialen Raum als auch im politischen Raum zuwachsen. Auch dies sind Herausforderungen, die ich, etwa mit den Terra X Filmen im ZDF gerne angenommen habe.

September 2014: Eröffnung der Wikinger-Ausstellung im Beisein von der Dänischen Königin Margarethe II. und dem damaligen Bundespräsident Joachim Gauck
September 2014: Eröffnung der Wikinger-Ausstellung im Beisein von der Dänischen Königin Margarethe II. und dem damaligen Bundespräsident Joachim Gauck © SMB, Museum für Vor-Und Frühgeschichte/Achim Kleuker
Oktober 2012: Eröffnung der Ausstellung "Russen und Deutsche" im Neuen Museum
Oktober 2012: Eröffnung der Ausstellung "Russen und Deutsche" im Neuen Museum © SMB, Museum für Vor-Und Frühgeschichte/Achim Kleuker
Matthias Wemhoff 2009
Matthias Wemhoff 2009 © SMB, Museum für Vor-Und Frühgeschichte/Achim Kleuker
Juni 2014: Matthias Wemhoff führt Kulturstaatsministerin Monika Grütters durch die neue Dauerausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte im Neuen Museum
Juni 2014: Matthias Wemhoff führt Kulturstaatsministerin Monika Grütters durch die neue Dauerausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte im Neuen Museum © SMB/Achim Kleuker
Querschnitt durch das Spektrum des Schatzfundes von Neupotz, 2. Hälfte 3. Jh. n. Chr.
© Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte/ C. Klein

Wo sehen Sie das Museum für Vor- und Frühgeschichte 2028 – Was sollte in den nächsten zehn Jahren passieren?

Die nächsten zehn Jahre sind voller spannender Projekte und Herausforderungen. Es geht schon los in diesem Herbst mit der großen Ausstellung, wieder im Martin-Gropius Bau „Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland“. Hier werden wir zeigen, wie relevant die Archäologie auch für die Fragen ist, die die Gesellschaft heute bewegt. Unsere Themen Mobilität, Austausch, Innovation und Konflikt sind zu allen Zeiten von großer Relevanz und können uns heute auch etwas mehr Gelassenheit vermitteln.

Dann hoffe ich in meiner Doppelfunktion als Museumsdirektor und Landesarchäologe sehr darauf, dass das gute Konzept der Archäologischen Fenster weiter zielstrebig umgesetzt wird. Im nächsten Jahr öffnet ja schon der 800 qm große Bereich unter dem Berliner Schloss. Ich hoffe wie schon erwähnt, sehr, dass spätestens 2021 das Haus am Petriplatz vielleicht sogar zusammen mit dem Archäologischen Fenster „Mittelalterliches Rathaus“ zwischen der neuen U-Bahnstation und dem Roten Rathaus eröffnet werden kann. Das Ganze werden wir in enger Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Berlin entwickeln. Diese Kooperationen mit anderen Museen und das Wirken in das Land Berlin hinein sind mir besonders wichtig. Wir zeigen, dass die Archäologie keine Sache ist, die nur nach Troja oder in das ferne Ägypten gehört, sondern die unmittelbar unter unseren Füßen in Berlin beginnt.

In 2020 wollen wir mit den russischen Kollegen das Projekt „Eisenzeit –Europa ohne Grenzen“ fortsetzen. Nach den Ausstellungen zur Merowingerzeit und zur Bronzezeit werden dann erstmals nach 1945, allerdings nur in Russland, unsere dort lagernden Bestände mit zugehörigen Objekten aus Berlin zeigen können. Meine größte Hoffnung ist es, dass die politischen Rahmenbedingungen langfristig neue Gespräche über die kriegsbedingt verlagerten Objekte ermöglichen. Sie fehlen uns in unserer Arbeit täglich.

Und dann schaue ich mit großer Vorfreude auf 2021/22. Zum 200 jährigen Geburtstag von Heinrich Schliemann wollen wir eine große kulturhistorische und archäologische Ausstellung unter dem Titel „Schliemanns Welten“ konzipieren. Darauf dürfen Sie schon jetzt gespannt sein.

Museum für Vor- und Frühgeschichte

Das Museum für Vor- und Frühgeschichte auf der Berliner Museumsinsel zählt weltweit zu den größten Sammlungen zur prähistorischen Archäologie der Alten Welt. Die Bestände repräsentieren die Entwicklung der vor- und frühgeschichtlichen Kulturen von der Altsteinzeit bis ins Hochmittelalter.
Höhepunkte sind der berühmte Schädel des Neandertalers von Le Moustier, Heinrich Schliemanns Sammlung Trojanischer Altertümer und der „Berliner Goldhut“. Bis in die jüngste Vergangenheit reichen aktuelle Grabungsfunde aus Berlin.

Website des Museums für Vor- und Frühgeschichte


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