Was ist der Welfenschatz?

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Der Welfenschatz ist ein ehemaliger mittelalterlicher Kirchenschatz, benannt nach dem Welfenhaus, das ihn seit 1671 besaß. 44 der ehemals 82 Objekte sind heute im Eigentum der SPK.

Der heute so genannte Welfenschatz war der Reliquienschatz der früheren Stiftskirche St. Blasius zu Braunschweig (heute: Braunschweiger Dom). Er ist einer der bedeutendsten deutschen Kirchenschätze des Mittelalters mit Werken der Schatzkunst aus dem 11. bis 15. Jahrhundert. 1671 gelangte er in den Besitz des Welfenhauses.  Dieses verkaufte den aus 82 Objekten bestehenden Schatz 1929 an ein Konsortium von Kunsthändlern – nur drei Wochen vor dem Beginn der Großen Depression.

Der preußische Staat erwarb über die Dresdner Bank 1935 von dem Konsortium, dessen Mitglieder zum Teil jüdischen Glaubens waren, 42 Werke für das Schlossmuseum, das heutige Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Zwei weitere Werke kamen 1935 und 1937 auf dem Tauschwege hinzu. Heute sind 44 Werke des Welfenschatzes im Eigentum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Sie werden im Kunstgewerbemuseum am Berliner Kulturforum gezeigt.

Die übrigen Objekte aus dem Welfenschatz befinden sich heute zum größten Teil in verschiedenen Museen in den USA, Schweden und Deutschland. Drei Werke, die sich im Bremer Roseliushaus befanden, wurden 1945 zerstört. Von vier weiteren Objekten, die 1930/31 in amerikanischen Privatbesitz gelangt sind, ist ungeklärt, wo sie sich heute befinden.

National wertvolles Kulturgut

Heute bewahrt das Kunstgewerbemuseum 44 der ehemals 82 Werke des Welfenschatzes. Dieser verbliebene Teil ist der größte deutsche Kirchenschatz im Eigentum einer öffentlichen Einrichtung. Deshalb hat das Land Berlin nach einem mehrmonatigen Verfahren am 6. Februar 2015 den Welfenschatz als national wertvolles Kulturgut qualifiziert. Eine Ausfuhr aus Deutschland ist – auch zu Ausstellungszwecken – nach dem Kulturgutschutzgesetz nur noch mit Genehmigung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien möglich.

Die bedeutendsten Objekte des Schatzes

Zum Welfenschatz gehören viele herausragende Stücke, wie etwa prächtige Kreuze, Reliquiare und Tragaltäre. Eine Auswahl der bekanntesten Objekte ist hier zusammengestellt.

Kuppelreliquiar

Das fast einen halben Meter hohe, goldglänzende Kuppelreliquiar ist das bedeutendste Werk im Welfenschatz. Es erinnert in seiner Form an eine byzantinische Kreuzkuppelkirche. Es ist reich mit Ornamenten verziert. Die Reliefs an den Stirnseiten der Kreuzarme zeigen die Heilige Familie, die Reise der Heiligen Drei Könige, die Kreuzigung Christi sowie die Frauen am Grabe. Unter den übrigen Arkaden befinden sich Propheten. Am Tambour thronen zu Seiten Christi die Apostel. Die Inschrift an der Tambourbasis enthält den Beginn des Bekenntnisses Petri (Mt 16,13-16, Als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger). 1482 befand sich die Kopfreliquie des hl. Gregor von Nazianz im Kuppelreliquiar. Das Fehlen entsprechender bildlicher oder inschriftlicher Hinweise und weitere Gründe haben jüngst zu der Annahme geführt, dass das Werk ursprünglich nicht als Reliquiar, sondern als Tabernakel für die Aufbewahrung der Hostie dienen sollte.

Kuppelreliquiar
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Fotostudio Bartsch, Berlin
Welfenkreuz
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Fotostudio Bartsch, Berlin
Tragaltar des Eilbertus
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Fotostudio Bartsch, Berlin
Armreliquiar des heiligen Sigismund
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Fotostudio Bartsch, Berlin

Welfenkreuz

Das Welfenkreuzist ein Reliquienkreuz von außergewöhnlich großer Kostbarkeit. Es steht im Mittelpunkt des Welfenschatzes. Unter einem quadratischen Bergkristall am unteren Kreuzende birgt es ein Partikel des Heiligen Kreuzes. Den niellierten Inschriften an der Rückseite zufolge enthält es daneben auch Reliquien der Heiligen Petrus, Markus, Johannes des Täufers und Sebastian. Das Kreuz ist mit feinstem Filigranwerk überzogen. An seiner Vorderseite ist ein Enkolpion angebracht, in seiner ursprünglichen Bestimmung ein Brustkreuz. Dieses weist byzantinischen Einfluss auf und ist vermutlich deutlich älter als die übrigen Teile des Kreuzes. Es zeigt neben dem Gekreuzigten die Brustbilder Marias, des Evangelisten Johannes und – oben – wohl das des Erzengels Michael. Am Kreuzfuß leben antike Bildideen fort, die in eindrücklicher Weise auf die Funktion des Welfenkreuzes als „Reliquiengrab“ Bezug nehmen.

Tragaltar des Eilbertus

Zum Welfenschatz gehört die größte Zahl von Tragaltären, die aus dem Mittelalter in einem Kirchenschatz erhalten blieb. Der Tragaltar des Eilbertus, der Tragaltar mit den Kardinaltugenden und der Tragaltar mit den Bergkristallsäulen sind nur einige von ihnen. Der von dem Kölner Eilbertus geschaffene Tragaltar ist ein Hauptwerk romanischer Schatzkunst. In höchster technischer Virtuosität und künstlerischer Reife wurden hier die verschiedenen Möglichkeiten des Kupferschmelzes genutzt, um ein umfassendes theologisches Bildprogramm umzusetzen. An den Wandungen erscheinen zwischen Pilastern Darstellungen von Propheten mit ihren Weissagungen. Sie dienen gleichsam als alttestamentliche Stützen des Altars. Auf der Mensaplatte befinden sich seitlich je vier Szenen aus dem Heilsgeschehen. Bilder der zwölf Apostel mit Schriftbändern umgeben den Altarstein aus Bergkristall. Unter diesem ist eine Miniaturmalerei sichtbar, die Christus als Weltenrichter mit den Symbolen der vier Evangelisten zeigt.

Armreliquiar des heiligen Sigismund

Das Armreliquiar des heiligen Sigismund gehört zu den ältesten erhaltenen Zeugnissen dieses weit verbreiteten Typs der „redenden“ Reliquiare. Nach einer, allerdings erst um 1300, an der Unterseite des Sockels eingeritzten Inschrift birgt es Reliquien des heiligen Burgunderkönigs Sigismund († 524). Das Armreliquiar erhebt sich über einem quadratischen Sockel mit Tatzenfüßen und getriebenem Rankenwerk an der Oberseite Ärmel und Hand waren ursprünglich in Silberblech getrieben. Im ausgehenden 13. oder frühen 14. Jahrhundert wurde die Hand durch eine aus Bronze gegossene ersetzt. Diese hält zwischen drei Fingern einen Knauf mit aufgesetzter Lilie. Darin wurde die verkürzte Darstellung eines Lilienzepters erkannt. Im Zuge der Ergänzung der Hand wurde der Querschnitt der Ärmel verkleinert, wodurch sich die außergewöhnlich schlanken Proportionen des Armreliquiars ergaben. Vermutlich noch etwas später wurde der Daumenring mit der gotischen Minuskelinschrift ciismundus (Sigismund) hinzugefügt.