Was ist seit der ersten Restitutionsforderung für den Welfenschatz passiert?

Was ist seit der ersten Restitutionsforderung für den Welfenschatz passiert?

2008 wurde erstmals die Restitution des Welfenschatzes gefordert. Die Beratende Kommission kam 2014 zu dem Schluss, dass dafür keine Grundlage zu erkennen sei. Seit 2015 ist eine Klage beim District Court in Washington, D.C., anhängig.

2008 forderten erstmals einige Erben der jüdischen Händler, die 1935 den Welfenschatz verkauften, dessen Restitution. Die SPK kam nach umfangreichen Recherchen zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Rückgabe nicht vorliegen. Der Verkauf des Welfenschatzes war ein besonderer Einzelfall. Er war kein NS-verfolgungsbedingter Zwangsverkauf, auch wenn die Verkäufer zu einem durch das NS-Regime verfolgten Personenkreis gehörten. Grundlage für diese Einschätzung der SPK sind folgende historisch belegte Fakten:

  • Der gezahlte Kaufpreis bewegte sich im Rahmen des Üblichen und Erreichbaren auf dem damaligen sehr angespannten Kunstmarkt.
  • Die Verkäufer erhielten den vereinbarten Kaufpreis zur freien Verfügung.
  • Der Welfenschatz befand sich seit 1930 außerhalb Deutschlands. Damit hatte der deutsche Staat während der gesamten Verkaufsverhandlungen keinen Zugriff darauf.

Die Beratende Kommission stellt 2014 fest: Kein Zwangsverkauf

Die Stiftung und die Antragsteller des Restitutionsbegehrens entschlossen sich 2012, die Beratende Kommission unter Vorsitz der früheren Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Jutta Limbach (†), anzurufen. Nachdem die Kommission die vorgelegten Unterlagen gesichtet hatte, führte sie auch eine Anhörung durch.

Im März 2014 empfahl die Beratende Kommission, den Welfenschatz nicht zu restituieren, da es sich nicht um einen NS-verfolgungsbedingter Zwangsverkauf handle. Beide Parteien hatten angekündigt, eine Empfehlung der Kommission zu akzeptieren. Der Fall schien mit der Empfehlung der Kommission abgeschlossen.

Empfehlung der Beratenden Kommission

„Die Beratende Kommission ist […] der Auffassung, dass es sich bei dem Verkauf des Welfenschatzes nicht um einen verfolgungsbedingten Zwangsverkauf gehandelt hat. Sie kann daher eine Rückgabe des Welfenschatzes an die Erben der vier Kunsthändler und etwaige weitere frühere Miteigentümer nicht empfehlen.“

Empfehlung der Beratenden Kommission (Erben Hackenbroch u.a. ./. Stiftung Preußischer Kulturbesitz, März 2014)

2015: Ein neues Verfahren in den USA

Am 24. Februar 2015 gaben die Anwälte einiger Antragsteller des Restitutionsbegehrens bekannt, dass sie bei einem Gericht in Washington, D.C. (Vereinigte Staaten) eine Klage auf Herausgabe des Welfenschatzes eingereicht hatten (Philipp and Stiebel vs. Federal Republic of Germany and Stiftung Preußischer Kulturbesitz).

Wenn in einem solchen Verfahren in den Vereinigten Staaten ein Beklagter der Ansicht ist, dass das Gericht nicht zuständig ist, muss er eine „Motion to Dismiss“ einreichen, einen Antrag auf Klageabweisung. Dann wird zunächst geklärt, ob das Gericht zuständig ist. Erst wenn diese Frage abschließend entschieden ist, wird in der Sache verhandelt. Bei der Prüfung der Zuständigkeit lassen die Gerichte außer Acht, ob die Klage in der Sache begründet ist und müssen alle Behauptungen der Klägerseite als wahr unterstellen.

Sind amerikanische Gerichte überhaupt zuständig?

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist der Ansicht, dass die Klage nicht vor ein U.S.-amerikanisches Gericht gehört. Sie hat daher 2016 eine „Motion to Dismiss“ beim District Court for the District of Columbia in Washington, D.C. eingereicht. Nachdem das Gericht am 31. März 2017 in erster Instanz erklärt hat, die Klage zuzulassen, hat die SPK Berufung beim U.S. Court of Appeals for the District of Columbia Circuit eingelegt. Ein dreiköpfiges Gremium des Gerichtes lehnte die Berufung im Juli 2018 ab. Die SPK beantragte, darüber vom Berufungsgericht in voller Besetzung (en banc) entscheiden zu lassen. Dieser Antrag wurde am 18. Juni 2019 abgelehnt. Allerdings griff einer der Richter die von der SPK vorgebrachten Argumente auf und verfasste eine abweichende Meinung.

Am 18. September 2019 hat die SPK beim U.S. Supreme Court (Oberster Bundesgerichtshof der USA) beantragt, die Entscheidung des Berufungsgerichtes zu revidieren und anzuordnen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Eine Entscheidung des U.S. Supreme Court wird sich nur auf die Frage beziehen, ob ein amerikanisches Gericht überhaupt für den Fall zuständig ist. Der Supreme Court bat den Solicitor General, der als Vertreter des Justizministeriums für die Regierung der U.S.A. spricht, um eine Stellungnahme. In seiner am 26.5.2020 veröffentlichten Stellungnahme an das Gericht empfiehlt der Solicitor General ausdrücklich, dass der Supreme Court sich mit den von der SPK vorgelegten Rechtsfragen befassen soll, und unterstützt das Anliegen der SPK, die Entscheidung des vorinstanzlichen Gerichtes aufzuheben, die besagt, dass die Klage in den U.S.A zulässig sei. Am 7.12.2020 findet die Anhörung vor dem Supreme Court statt.

Dokumente zum Verfahren in den USA

Die Dokumente zum U.S.-Verfahren sind auf der Website PACER (Public Access to Court Electronic Records) abrufbar. Eine Anmeldung ist erforderlich.

Die Dokumente für das Verfahren vor dem U.S. Supreme Court sind frei verfügbar. Ebenso sind eine Aufzeichnung sowie eine Transkiption der Anhörung vom 7. Dezember 2020 verfügbar.

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