Praxistest Vermittlung: Einführung in die Archivnutzung im GStA

25.07.2019Praxistest Vermittlung: Einführung in die Archivnutzung im GStA

Das Adjektiv „geheim“ im Namen des Geheimen Staatsarchivs rührt zwar nicht von irgendwelchen klandestinen Vorgängen her, trotzdem scheint es ein Buch mit sieben Siegeln, sich im Gedächtnis Preußens zurechtzufinden – wir haben getestet, ob eine Einführung für die Archivnutzung etwas Licht ins Dunkel bringen kann.

Von Gesine Bahr

Forschungssaal des Geheimen Staatsarchivs
Der Forschungssaal des Geheimen Staatsarchivs © SPK / Thomas Meyer, Ostkreuz

Waren Sie schon einmal in einem Archiv? Auch viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler würden diese Frage wohl mit „nein“ beantworten. Dabei kann dieser Hort des Wissens generell und das Geheime Staatsarchiv allemal eine prall gefüllte Goldmine an Informationen sein – wenn man ihre Topografie kennt und weiß, wie man sich in ihr orientieren kann, um die begehrten Kostbarkeiten ans Licht zu fördern.

Darum bietet das Geheime Staatsarchiv jeden ersten Dienstag im Monat eine Einführung in die Archivnutzung an. „Wie kann ich meinen Archivbesuch vorbereiten? Wie benutze ich die Archivdatenbank? Wie recherchiere ich strukturiert in den Beständen? Wie ermittle ich Literatur im OPAC der Dienstbibliothek? Wie kann ich Reproduktionen bestellen? Wie zitiere ich korrekt eine Akte des Geheimen Staatsarchivs PK?“. Solche und ähnliche Fragen werden bei diesem kostenlosen Vermittlungsangebot einführend erläutert, um den ersten Einstieg in die Archivarbeit zu erleichtern.

Schließlich sieht sich das Geheime Staatsarchiv vor allem als Serviceeinrichtung für Forschende – dazu gehört eben auch die Erklärung, wie man dieses komplizierte, aber mächtige Werkzeug der Quellenforschung einsetzen kann: sowohl als „professioneller“ Wissenschaftler für die eigene Forschung oder als historisch interessierter Laie, der die eigenen Wurzeln erforschen möchte.

Regale mit Akten
Aktenregale im GStA © SPK / Benne Ochs
Eingang zum Forschungssaal
Die Pforten zum Forschungssaal © SPK / Benne Ochs

Zum Praxistest haben sich vor allem erstere eingefunden: Berlin-Dahlem, Dienstagnachmittag, 16 Uhr, es geht los: Zunächst wird die Gruppe ins Herzstück des Geheimen Staatsarchivs geführt, den überaus angenehm klimatisierten Forschungssaal in der Beletage des Hauptgebäudes von 1924. Ein langgestreckter Raum mit gut 40 Plätzen für Forschungswillige, einer Theke, an der das Archivgut bestellt werden kann und vor allem gern und freundlich in allen Fragen geholfen wird; sowie schließlich Regale voller Kompasse, ohne die das Archiv wahrscheinlich nutzlos wäre: die Findbücher.

Was der Katalog für die Bibliothek ist, ist das Findbuch für das Archiv – denn obwohl beides Schriftgutaufbewahrungsstätten sind, handelt es sich ja um zwei verschiedene Dinge. Der Unterschied zwischen einer Bibliothek und einem Archiv liegt in der Universalität des Archivguts: Jedes Archivale ist nur einmal vorhanden. Im Geheimen Staatsarchiv handelt es sich auch nicht vorrangig um Bücher, sondern um Akten, Briefe, Nachlässe. Und die sind seit 1881 nach dem Provenienzprinzip geordnet, also nach ihrer Herkunft und den Entstehungszusammenhängen. In Bibliotheken gilt hingegen weiterhin das Pertinenzprinzip, das Schriftgut nach Themenfeldern – Sachverhalten, Ereignissen, Territorien und/oder Personen –  ordnet. So finden sich beispielsweise Informationen zu den Tendaguru-Expeditionen, bei denen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Dinosaurierknochen ins Berliner Naturkundemuseum geholt wurden, nicht unter dem Schlagwort „Kolonialismus“, sondern in einer Akte des damaligen Kultusministeriums, das nämlich für die Forschungsexpeditionen die Förderung beschaffen sollte.

Bei der Archiveinführung wird dies am Beispiel des eigenen Gebäudes demonstriert: Wenn man mehr über dessen Errichtung 1924 wissen möchte, kann man beispielsweise in die Akten des preußischen Finanzministeriums gucken (wer bauen will, braucht dafür natürlich immer Geld). Also gilt es, zunächst in der Tektonik des Archivs zu gucken, welches Findbuch man bemühen musste, dort wiederum findet sich die Signatur der Akte, die dann am Tresen des Forschungssaals bestellt werden kann. Dauer der Beschaffung: je nach Lagerort eine Stunde, bzw. ein Tag.

Im Angebot stehen: u. a. Überlieferungen des Geheimen Rats (gegründet 1604), des Generaldirektoriums, (gegr. 1722), der preußischen Ministerien (ab ca. 1808), des Historischen Staatsarchivs Königsberg, des Brandenburg-Preußischen Hausarchivs, außerdem diverse Nachlässe, Freimaurerbestände und Sammlungen.

Wer also wissen will, was in den 35 lfd km Akten des Geheimen Staatsarchivs steht, muss erst die Tektonik und dann die Findbücher zu Rate ziehen – und weiß dann auch nur ungefähr die Richtung und noch nicht, was wirklich genau in einer Akte steht. Und selbst wenn es das richtige Archivale ist, so muss der Suchende erstmal fähig sein, die Schrift zu entziffern – Handschriften aus dem 17. bis 19. Jahrhundert zu lesen, muss erst gelernt werden. Im Forschungssaal des GStA versucht man, mit Handschriftenbeispielen Hilfestellung zu geben.

Akten im Geheimen Staatsarchiv
Akten im Geheimen Staatsarchiv © SPK / Benne Ochs

Neben der Tektonik, den Findbüchern und der Online-Datenbank ist ein wichtiges Werkzeug zur Navigation im Geheimen Staatsarchiv der Tresen mit den freundlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des GStA, die um die Komplexität ihrer Einrichtung wissen und gern versuchen, die Forschungswilligen mit Rat und Tat zu unterstützen.

Die Einführung in die Archivnutzung ist auf jeden Fall guter Einstieg: Sie öffnet die Pforte zur „Goldmine“ GStA, gibt Navigationshilfe und weckt den Entdeckergeist.

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