Der Kampf um den Bibliotheksgiganten

06.01.2017 Der Kampf um den Bibliotheksgiganten

Ein Jahr nach dem Bau der Mauer, 17 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs und 25 Jahre nach dem Bau des ersten Gebäudes von Albert Speers Germania wurde die Errichtung einer Staatsbibliothek im Westteil Berlins beschlossen: Am Kulturforum. Eine politische Baugeschichte.

von Martin Hollender

Großer Kampf für einen großen Bau: Die Staatsbibliothek im Bau, 1972/73
Großer Kampf für einen großen Bau: Die Staatsbibliothek im Bau, 1972/73 © bpk/Reinhard Friedrich

Am 29. Juni 1962 verabschiedete der Bundestag das „Gesetz zur Förderung der Wirtschaft in Berlin (West)“, das auf die Erhaltung und Stärkung der Wirtschaftskraft Berlins sowie die Kompensation der ökonomischen Einbußen als Folge des Mauerbaus abzielte. Noch zuvor setzte West-Berlin selber bereits am 12. Januar 1962 einen Meilenstein in Sachen kultureller Förderung – den formellen Senatsbeschluss über den Neubau der Staatsbibliothek auf dem später als „Kulturforum“ bekannt gewordenen Terrain im Berliner Bezirk Tiergarten zwischen dem Kemperplatz im Norden und dem Landwehrkanal im Süden. Dem architektonischen Entwurf aus der Hand von Senatsbaudirektor Düttmann war vonseiten des Senats bereits zugestimmt worden; allein der Stiftungsrat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz musste nun noch sein placet geben.

Mauerbau hin, Mauerbau her – die West-Berliner Planung orientierte sich weiterhin strikt an der Maßgabe der Wiedervereinigung und der geeinten Stadt. Hier erhielt das Bibliotheksbauen augenblicklich eine auch weltanschauliche, vor allem pragmatisch weitsichtige Komponente: die Einbeziehung Ost-Berlins in die Überlegungen um eine zukünftige Gesamtberliner Staatsbibliothek trug bei zu der Standortfestlegung, würde sich doch eine Bibliothek am Potsdamer Platz nach der Wiedervereinigung ausnehmend günstig im Verkehrsadernschnittpunkt der drei Berliner Universitäten Humboldt-Universität, Technischer Universität und Freier Universität befinden.

Zugleich aber begann der Kampf zwischen den Weltmächten USA und UdSSR, der sich bereits Ende der Vierzigerjahre auf die jeweiligen Bündnispartner Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik übertragen hatte, zu eskalieren und auf die gespaltene Preußische Staatsbibliothek überzugreifen – das „Wettrüsten“ auch der Bibliotheken setzte ein. „In West-Berlin soll die größte Bibliothek entstehen, die jemals in Deutschland geplant wurde“ , meldeten die Blätter und verkündeten die Anstrengungen des freien Westens, dem Sozialismus zu trotzen: nicht ausgerechnet im unfreien Osten soll die größte deutsche Bibliothek – Sinnbild des uneingeschränkt forschenden Geistes – beheimatet sein, sondern im Kampf der Bibliotheksgiganten soll West-Berlin der Sieger gegen Ost-Berlin werden. Der kolossale Baupreis von 50 Mio. DM für das neue Haus am Rande des Tiergartens machte unwidersprochen die Runde – für Berlin war nun, nach der Einkesselung durch die DDR, das Beste gerade gut genug.

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