SIMsalabim, ein Oktopus

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Es hat etwas Magisches, wenn Carolina Eyck ihr Instrument spielt: das sagenhafte Theremin. Anlässlich der Ausstellung „GOOD VIBRATIONS“ waren beide für einen Workshop und ein Konzert zu Gast im Staatlichen Institut für Musikforschung. Und auch bei der großen 100-Jahrfeier des Instituts am 24. Juni 2017 wird Deutschlands bekannteste Thereministin mit ihrem zauberhaften Instrument dabei sein. Wir haben den Praxistest gemacht und uns das Theremin in all seinen Besonderheiten erklären lassen.

Zwischen der rechten Schulter und dem Instrument, das etwas aussieht wie ein Kastenradio mit ausgefahrener Antenne, ist sie gespannt – die unsichtbare Saite, auf der das Theremin völlig berührungslos gespielt wird. Der Workshop im Staatlichen Institut für Musikforschung (SIM) ist ausgebucht. Gebannt sitzen die Teilnehmer auf den schwarzen Lederkissen im raumschiffartigen Folkloresaal und  lauschen der Thereministin Carolina Eyck, die mit kleinen Vorführungen und einer heiteren Gelassenheit die Grundlagen des Spiels erläutert: Die Töne werden auf der unsichtbaren Saite mit der rechten Hand erzeugt. Die linke Hand schwebt über dem Theremin und steuert die Lautstärke. 

 

Theremin-Workshop im Staatlichen Institut für Musikforschung
Theremin-Workshop im Staatlichen Institut für Musikforschung © SPK / Thomas Imo / photothek.net
Carolina Eyck erläutert einer Workshop-Teilnehmerin das Thereminspiel
Carolina Eyck (re.) erläutert das Thereminspiel © SPK / Thomas Imo / photothek.net
Ein Junge spielt auf dem Theremin
Theremin-Workshop im Staatlichen Institut für Musikforschung © SPK / Thomas Imo / photothek.net
Theremin aus der Nähe
Theremin aus der Nähe © SPK / Thomas Imo / photothek.net
Schulführung im Musikinstrumenten-Museum, im Vordergrund Cembali aus dem 18. Jahrhundert
© SPK / Pierre Adenis

Was wunderbar klingt und federleicht aussieht, ist in der Praxis gar nicht so einfach umzusetzen. Nicht nur die Finger- und Handpositionen wollen koordiniert werden. Der gesamte Körper nimmt Einfluss darauf, welche Töne dem Theremin wie entlockt werden können. Schließlich beruht der Mechanismus auf elektromagnetischen Feldern, die durch Bewegung beeinflusst werden. Entwickelt wurde das Theremin um 1920 von Lev Termen, einem russischen Physiker. Eines dieser ersten Theremine ist auch in der Ausstellung „GOOD VIBRATIONS“ im SIM zu sehen, die noch bis zu 27. August 2017 die Geschichte der elektronischen Musikinstrumente beleuchtet.

Carolina Eyck ist eine der bekanntesten Thereministinnen weltweit. Sie spielt ein zeitgenössisches Exemplar des Instruments, das Etherwave Pro der Firma Moog. Dieses Theremin ist technisch verbessert, denn die Tonabstände auf der unsichtbaren Saite sind ungefähr gleich. Dadurch, so erläutert es Eyck, sei viel mehr möglich, weil das Instrument präziser gespielt werden könne. Eyck hat die Technik, mit der sie das Theremin spielt – acht Fingerpositionen auf der unsichtbaren Saite – selbst entwickelt. Ihre Technik haben viele Spieler übernommen und Eyck unterrichtet, wie sie berichtet, von Jahr zu Jahr mehr Schülerinnen und Schüler. Auch das trägt dazu bei, dass das Theremin öffentlich immer stärker wahrgenommen wird.

Einen weiteren Beitrag leistet Eyck durch ihre unermüdlichen Aktivitäten, die sie rund um die Welt führen – oftmals ist sie mehrere Wochen am Stück unterwegs. Neben Workshops gibt Carolina Eyck viele Konzerte, oft zusammen mit dem Pianisten und Komponisten Christopher Tarnow. Aber sie spielt auch mit klassischen Orchestern: „Ich finde, dass der Klang des Theremins sehr gut zu einem klassischen Orchester passt. Das Theremin kann sehr hoch, also in allen Registern spielen, und sich so sehr gut im Orchester einbetten. Gleichzeitig kann das Theremin auch über dem Orchester schweben, weil der Orchesterklang es gut trägt.“

Während des Workshops im SIM wollen vor allem die Kinder das Theremin immer wieder ausprobieren. Eyck erklärt sich diese Faszination durch den besonderen Klang und die berührungslose Spielweise. Gleichzeitig stellt Eyck fest: „Wenn man über das Theremin spricht, ist ‚faszinierend‘ oft das erste Wort. Das ist völlig verständlich. Für mich als Künstlerin ist es aber besonders schön, wenn ich darüber hinausgehen, wenn ich Musik so berührend spielen kann, dass meine Zuhörer vergessen, auf welche Art der Ton zustande kommt, und sich von meiner Musik davontragen lassen.“

Ihre Musik ist für Carolina Eyck übrigens nicht bloß Klang. Sie ist Synästhetin. Wenn Sie komponiert, sind Bilder und Töne gleichzeitig da. „Ich sehe sehr häufig Farben beim Musizieren. Wenn etwas in Harmonie ist, dann hat es auch eine schöne Farbe oder eine schöne Farbkombination. So komponiere ich auch. Dabei nutze ich natürlich nicht nur C-Dur. Das wäre langweilig, weil das Stück dann bloß aus Rot, Blau und Gelb bestünde. Es müssen besondere Töne dabei sein, die die Harmonie und die Farben interessant machen.“ Dass Eyck sich auch spontan von Bildern inspirieren lassen kann, begeistert die Teilnehmer des Workshops im SIM. In Windeseile entwickelt Eyck aus den Zeichnungen der Teilnehmer Melodien. Und so schwimmt plötzlich gestisch und klanglich ein sehr lebendiger Oktopus durchs SIM.

Etwas ganz Besonderes plant Carolina Eyck zum 100-jährigen Jubiläum des SIM: Zusammen mit Lukas Rabe führt sie ihr Theremin den jüngsten Besuchern in einem Familienkonzert  vor – mit einer Handpuppe. Wen würde es da wundern, wenn an diesem Nachmittag nicht die nächste Generation an Thereminspielern und –spielerinnen gesichert würde.

 

Staatliches Institut für Musikforschung

Das Staatliche Institut für Musikforschung ist das größte außeruniversitäre Forschungszentrum für Musikwissenschaft in Deutschland. Es widmet sich der historisch-theoretischen Reflexion über Musik und deren lebendiger Vermittlung. Hierfür präsentiert es in seinem Musikinstrumenten-Museum die Entwicklung der europäischen Kunstmusik vom 16. bis zum 21. Jahrhundert für ein breites Publikum. Bereits 1888 gegründet, besitzt das Museum über 3.000 historische Musikinstrumente und bietet vielfältige Veranstaltungen – vom wissenschaftlichen Symposion über Gesprächs-Konzerte auf historischen Instrumenten bis hin zu interaktiven Klanginstallationen.

Staatliches Institut für Musikforschung