Die Schätze der Chronistin

News vom 24.11.2020

Zwei Jahrzehnte hat Carola Wedel für das ZDF den Wiederaufbau der Museumsinsel mit der Kamera begleitet – Jetzt hat sie ihr filmisches Material der SPK übergeben

Eine Frau sitzt in einem Kofferraum voller Kartons
© SPK / Stefan Müchler

Kisten stapeln sich in der Tiefgarage des ZDF-Hauptstadtstudios. Aufschriften wie „Amarna“, „Bode 1-3“ oder „Neumu“ sind zu lesen. Chiffren eines, es ist nicht anders zu sagen, Lebenswerks. Carola Wedel, eine Kulturjournalistin klassischer Schule, hat der SPK ihr filmisches Material übergeben, das seit 2001 über den Wiederaufbau der Berliner Museumsinsel entstanden ist. Sie war die Chronistin der Insel. Niemand berichtete mehr, niemand wollte mehr wissen, niemand kämpfte so hartnäckig um Sendeplätze. Mit einer allerletzten Dokumentation über das Humboldt Forum wird sich Carola Wedel in diesem Jahr in den Ruhestand verabschieden, das Werden der Museumsinsel freilich weiter im Blick. Bevor die Tour mit den Kisten ins Archiv der bpk-Bildagentur nach Friedrichshagen geht, hat sie auf unsere Fragen geantwortet.

Haben wir heute wirklich Ihr Lebenswerk eingepackt?

Carola Wedel: Ja, und bei mir herrscht eine Mischung aus Stolz und Freude, dass ich das machen konnte. Als die Museumsinsel 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde, habe ich bei uns im Sender eine Langzeitdokumentation vorgeschlagen. Damals sind wir ja noch von zehn Jahren Bauzeit ausgegangen (lacht). ZDF-Intendant Markus Schächter hat gesagt: Absurd, viel zu teuer, wen soll das interessieren? 3sat-Chef Gottfried Langenstein erkannte das Potential sofort. So kam es zur Medienpartnerschaft zwischen dem ZDF und der SPK, die nun schon so lange anhält.

Um wieviel Material handelt es sich denn überhaupt?

Wedel: Es sind über 1.000 Kassetten. Ich habe seit 2001 wahnsinnig viel gedreht. Hinzu kommen Aufnahmen von Reisen nach Russland, nach Kanada, nach Troja usw. Wichtig war mir immer, dass es in den Dokumentationen nicht nur um die Baustelle ging, sondern wir auch immer wieder kulturpolitische Themen aufgeblättert haben, die mit der Geschichte der fünf Museen auf der Insel zusammenhingen: Beutekunst, Nofretetes Geheimnis, archäologische Geheimnisse. Unvergessen bleibt mir, wie ich mit Wilfried Menghin, dem vormaligen Direktor für Vor- und Frühgeschichte im Moskauer Depot stehe, uns Granatschmuck präsentiert wird und er sagt: ‚Das sind genau die Sachen aus der Merowinger-Zeit, die wir seit Kriegsende vermissen. Die gibt’s also noch.‘ Das waren Sternstunden für mich!

Was hat sie bewogen, so lange an dem Thema dranzubleiben?

Wedel: Mich haben die Geschichten der Museen einfach unbändig interessiert. Es sollte, wie gesagt, nach zehn Jahren Schluss sein und ich musste immer wieder für Verlängerungen kämpfen. Einmal sogar auch für die Insel selbst. Der damalige SPK-Präsident Klaus-Dieter Lehmann kam zu mir und sagte: ‚Geben Sie mir doch noch ein paar VHS-Kassetten. Ich brauche sie für den Haushaltsausschuss des Bundestages‘. Hintergrund war, dass der damalige Finanzminister Hans Eichel einen Finanzierungsstopp für die Museumsinsel verfügt hatte. Lehmann konnte die Parlamentarier überzeugen und die Sanierung ging weiter. 2002 kam dann noch das Humboldt Forum dazu. Dieser Dialog der Kulturen, der jetzt im Herzen Berlins ganz neu möglich ist, fasziniert mich sehr.

Wer mit Ihnen zu tun hatte, spürte auch Ihre Hartnäckigkeit.

Wedel: Na, die war doch auch nötig. Es gab immer Widerstände. Müssen wir das denn noch machen? Letztlich liegt mir der altmodische Kulturauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sehr am Herzen. Ich bin auch immer fast wissenschaftlich an die Themen herangegangen, habe alles gelesen, was ich in die Finger bekam.

Was soll jetzt mit dem filmischen Material geschehen?

Wedel: Es ist wirklich eine einzigartige Chronik der Museumsinsel. Kein anderer Sender hat das gemacht. Ich würde mir wünschen, dass das Material erschlossen und der Forschung zugänglich gemacht wird.

Und wie werden Sie der Museumsinsel künftig begegnen?

Wedel: Sicherlich nicht als Flaneurin im Ruhestand. Ich werde mich weiterhin für alles interessieren, was dort geschieht. Und vielleicht entsteht ja doch noch der eine oder andere Film.

Die Fragen stellte Ingolf Kern.

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