Geschichte besteht aus Grautönen

News vom 05.03.2020

Hermann Parzinger und Nanette Snoep sprechen im FAZ-Interview über die Chancen der Kolonialismusdebatte und die Zukunft der ethnologischen Museen. Und in DIE ZEIT erklären die Verantwortlichen des Humboldt Forums, was sie dort vorhaben.

Eine Frau erklärt ein Objekt, das in einer Vitrine liegt
Hertha Bukassa (Museums Association of Namibia) spricht bei der Präsentation der Kooperation des Ethnologischen Museums mit der Museums Association of Namibia © SPK / photothek.net / Florian Gaertner

Parzinger sagte in dem am 4. März 2020 veröffentlichten Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Die Radikalität, mit der der Sarr-Savoy-Bericht alles unter den Vorbehalt der Illegalität stellt, was im Zeitalter des Kolonialismus irgendwo gesammelt worden ist, lehne ich in dieser Form ab. Man muss sich die Dinge genauer ansehen.“ Er betonte, Geschichte bestehe aus Grautönen und ergänzte, dass es immer um den historischen Erwerbungskontext gehe: „Wenn er problematisch ist, sollten Restitutionen möglich sein. Eine Definition von sogenannten Unrechtskontexten findet man allerdings in keinem Leitfaden, weil man immer vom Einzelfall ausgehen muss.“ Darüber hinaus gebe es Objekte, die indigenen Vertretern sehr wichtig seien, obwohl sie legal erworben wurden, auch hier seien Rückgaben grundsätzlich vorstellbar: „Da gibt es viele Möglichkeiten, aber das funktioniert nur im Miteinander.“

Snoep, seit 2019 Direktorin des Rautenstrauch-Joest-Museums der Stadt Köln, erklärte in dem Gespräch, dass der Dialog auf Augenhöhe gerade erst angefangen habe, dass es ihn vor zehn Jahren noch nicht gegeben habe. Sie erzählte aus ihren noch deutlich anderen Erfahrungen im Paris der 1990er Jahre und berichtete über die Haltung in Holland, wo die Debatte vor allem aufgrund der großen indonesischen Community und der Präsenz indonesischer Forscher in den Universitäten früher angekommen sei. Dort herrsche die Grundregel, dass Objekte aus staatlichen Sammlungen, die in ihren heutigen herkunftsländern eine wichtige bedeutung haben, zurückgegeben werden könnten. Gleichzeitig betonte sie: „Natürlich ist es kompliziert. Jedes Objekt und jeder Einzelfall hat seine eigenen Spielregeln und Komplexität.“

Beide erklärten, dass sich ethnologische Museen nicht zu Museen der Kolonialgeschichte entwickeln würden. Gerade die Kooperationspartner, erklärte Parzinger, hätten großes Interesse, dass auch die heutige Situation in den Herkunftsländern dargestellt werde.

Lars-Christian Koch, Direktor des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst, erklärte in einem gemeinsamen Interview mit Hartmut Dorgerloh, Gorch Pieken und Paul Spies in DIE ZEIT vom 5. März 2020, dass die Frage nach dem Umgang mit der kolonialen Vergangenheit und der Verstrickung Deutschlands in den Kolonialismus so umfassend sei, dass sie im Humboldt Forum nicht gelöst werden könne, aber: „Wir wollen eine Diskussionsplattform sein, wir wollen die Arbeit, die wir im Ethnologischen Museum betreiben, nutzen, um genau dieses Thema, mit dem wir als Ethnologen schon immer zu tun gehabt haben, in der öffentlichen Diskussion zu halten.“

In der SPK laufen bereits etliche kooperative Projekte mit Herkunftsländern und -gesellschaften zur Erforschung der Sammlungsbestände, aber auch zur gemeinsamen Gestaltung von Ausstellungsbereichen im künftigen Humboldt Forum.

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