Sie nennen ihn Mohammed Beton

News vom 29.07.2016

Mohammeds Heimat Syrien liegt in Trümmern. Dennoch glaubt er an die Zukunft. Für die Ausstellung „daHEIM – Einsichten in flüchtige Leben“ hat er als Symbol dafür einen Flügel aus Beton geschaffen, der jetzt im Museum Europäischer Kulturen zu sehen ist.

Mohammed Alkhatib vor einem Flügel aus Beton, den er als Teil der Ausstellung „daHeim – Einsichten in flüchtige Leben“ geschaffen hat
© Kristina Heizmann

Mohammed Betons Heimat liegt in Ruinen. Wo früher Städte standen, bedecken heute Trümmer den Boden. Nicht einmal Stahlbeton konnte der zerstörerischen Wut des Krieges standhalten. Mohammed Beton glaubt trotzdem an die Kraft des Betons – denn er kann daraus alles erschaffen, was er sich vorstellen kann.

Mohammed Beton heißt eigentlich Mohammed Alkhatib und kommt aus Syrien. 2011 begann der Krieg, seine Heimat zu zerschneiden. Die Grenze zwischen dem von Assad besetzten Territorium und dem von der Freien Syrischen Armee beherrschten Gebiet verlief zwischen seinem Haus und dem Büro seines Bauunternehmens . Er pendelte hin und her, das machte ihn in den Augen aller Kriegsparteien verdächtig. Nie war er sicher, ob ihn nicht eine Seite unvermutet verhaften würde. Die Wirtschaft in der Krisenregion brach zusammen. Nahrungsmittel wurden ebenso zur Mangelware wie Aufträge. Irgendwann realisierte Mohammed: Dieser Krieg war gekommen, um zu bleiben. Mit seiner Frau Iman und seinen Kindern floh er erst aus seiner Heimatstadt, dann aus Syrien. Jetzt leben sie in einem Wohnheim in der Staakener Straße in Berlin-Spandau.

Seine Liebe zum Beton hat er schon früh entdeckt. Von seinem Vater lernte Mohammed die Grundlagen des Bauhandwerks . Vor allem seine detailgetreuen Dekorationen und Schmuckelemente an Wänden und Häusern waren gefragt, sein Name wurde schnell über die Grenzen der Region hinweg bekannt. Berühmtheit sei ihm aber nie wichtig gewesen, sagt er. Seine Arbeit sollte so gut wie irgend möglich sein und durch ihre Schönheit den Betrachter erfreuen. Um das zu erreichen, hat er feste Stundenlöhne und geregelte Arbeitszeiten in den Wind geschlagen, einfach immer so lange gearbeitet, bis das, was da entstand, in seinen Augen perfekt war.

Fast jede beliebige Oberfläche kann Mohammed mit Beton überziehen, aus dem er dann Reliefs formt. Sie werden mit Steinen verkleidet oder mit Farbe zum Leben erweckt. Nicht nur Auftragsarbeiten also, sondern immer auch Kunstwerke, die unter seinen Händen entstehen. Mit Skizzen hat er nie gearbeitet. Er behauptet sogar, überhaupt nicht malen zu können  die Formen seien in seinem Kopf. Er überträgt sie direkt auf den Beton. Der Beton und ich, sagt Mohammed, wir verstehen uns einfach. Fand er in seiner Heimat etwas hässlich, dann kleidete er es einfach in eine Schicht Beton und verwandelte es in etwas Schönes. Auf seine Werke ist er stolz: Auf seinem Handy finden sich zahlreiche Bilder seiner Arbeiten in Syrien. Er betrachtet sie oft, während er darauf wartet, auch hier etwas tun zu können.

Für die Ausstellung „daHEIM – Einsichten in flüchtige Leben“ im Museum Europäischer Kulturen hat Mohammad im Projekt KUNSTASYL den Flügel eines Lamassu nachgebaut. Den babylonischen Schutzdämon aus seiner Heimat sah er im Pergamonmuseum wieder. Das Stück ist detailgenau gearbeitet, jede Feder einzeln nachgezeichnet. Es ist ein Flügel aus Beton: Denn niemand, der aus Syrien flieht, kann einfach die Flügel ausbreiten und in eine sichere Zukunft fliegen. Die vor Krieg und Zerstörung Fliehenden suchen ihren  Weg mühsam zu Fuß und können nicht einmal sicher sein, eine neue Heimat zu finden. Mohammad sagt, er habe das Glück gehabt, es hierher zu schaffen. Andere wünschten sich noch, sie hätten Flügel, um dem Krieg davonzufliegen und frei zu sein.

Er selbst habe diese Möglichkeit der Freiheit in Deutschland gefunden, meint Mohammed. Trotzdem will er nach dem Krieg wieder zurück nach Syrien. Wenn er nicht zurückgehe, wenn nicht ein paar Menschen zurückkehrten, wer solle dann das Land wieder aufbauen?  Mohammed Alkhatib ist einer, der sogar aus Beton noch Blumen wachsen lassen kann. Menschen wie ihn wird Syrien brauchen.

Von Kristina Heizmann

Unbedingt hingehen: Die Ausstellung "daHEIM - Einsichten in flüchtige Leben" ist bis zum 02. Juli 2017 im Museum Europäischer Kulturen zu sehen.

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