Danke, Danke, Danke, liebe Pietzschens!

06.04.2019Danke, Danke, Danke, liebe Pietzschens!

Seit 50 Jahren sammeln Ulla und Heiner Pietzsch große Kunst. Rund 150 Werke von Künstlern der Moderne wie Max Ernst, René Magritte, Jackson Pollock oder Mark Rothko schenkten sie 2016 dem Land Berlin. Dauerhaft gezeigt werden die Bilder im Neubau für die Kunst des 20. Jahrhunderts am Kulturforum.

von Gesine Bahr

Dankesfeier am 30. November 2016: Udo Kittelmann, Monika Grütters, Heiner und Ulla Pietzsch, Michael Müller, Hermann Parzinger(v.l.n.r.)
Dankesfeier am 30. November 2016: Udo Kittelmann, Monika Grütters, Heiner und Ulla Pietzsch, Michael Müller, Hermann Parzinger(v.l.n.r.) © SPK/ Urban Ruths

Berlin hat seinem Vorort Mahlsdorf viel zu verdanken: Schriftsteller Jurek Becker, ZDF-Ikone Maybrit Illner, die Gründerin des Gründerzeitmuseums Charlotte von Mahlsdorf – und Ulla Pietzsch. Gemeinsam mit ihrem Gatten Heiner hat sie am 30. November 2016 die Hauptstadt nämlich großzügigst beschenkt: Mit einer der bedeutendsten Privatsammlungen moderner Kunst. Unter anderem, weil die Stadt dem kunstliebenden Unternehmerehepaar sehr viel gegeben habe, inklusive schwierige und schöne Zeiten, wie die gebürtige Mahlsdorferin in ihrer Rede auf der Dankesfeier in der Villa von der Heydt sagt. 

Nur ins Museum, nicht in den Keller

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller steht an diesem Abend ebenso unter dem Kronleuchter im großen Saal wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters, der scheidende Kulturstaatssekretär Tim Renner, Rüdiger Kruse vom Haushaltsausschuss des Bundestages, der ehemalige „Museumsgeneral“ Peter-Klaus Schuster,  natürlich SPK-Präsident und Gastgeber Hermann Parzinger und weitere „Offizielle der Berliner Kunstszene, sowie Politiker und Politikerinnen, die sich so für das Museum eingesetzt haben“, so die Dankesworte von Ulla Pietzsch. Das Museum, das ist der Neubau für die Kunst des 20. Jahrhunderts am Kulturforum. Er war Voraussetzung für die Schenkung.  Heiner Pietzsch begründet den nun ausgeräumten Vorbehalt mit folgenden Worten: „Meine Mutter sagte mal: ‚Was du in den Keller gibst, kannst Du auch gleich wegschmeißen. Das holt man ohnehin nie wieder hervor‘. Also die Kunst in den Keller zu stellen, was in Berlin gang und gäbe ist, da unsere Bilder noch dazuzustellen, das wollten wir auf keinen Fall. Wir stellen euch die Sammlung zur Verfügung, aber es muss hängen.“

Ulla Pietzsch
Ulla Pietzsch © SPK/Urban Ruths

Mit der Juryentscheidung am 26. Oktober 2016 für den Entwurf von Herzog & de Meuron wurde der lange Weg, der „nicht immer voller Freude war“ – so Heiner Pietzsch – von Dahlem ans Kulturforum freigemacht.

Das Versprechen der modernen Kunst

Dort am Stadtrand, in der Pietzschen Villa, hängen derzeit noch jene Bilder, die das Ehepaar auch als „ihre Kinder“ bezeichnet, u.a. ein Francis Bacon im Wohnzimmer. Der lange Weg, von dem Heiner Pietzsch in seiner Dankesrede spricht, begann genaugenommen 1946 in einem Dresdner Museum: Dort besuchte der damals 16-Jährige eine Ausstellung mit Werken, die unter den Nazis als „entartet“ diffamiert wurden. Fasziniert und entflammt kam er immer wieder, um sich die Bilder anzusehen. War es das Versprechen, das die leuchtenden Farben der Werke der klassischen Moderne im Grau des zerstörten Dresdens gaben? Dass die Moderne die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten überdauert hat  und nach deren Überwindung endlich weitererzählt werden kann? 

Die Pietzschens jedenfalls halfen dabei mit, indem sie ab den 1960er Jahren ihre Sammlung mit Leidenschaft und Kennertum zusammentrugen: Heiner mochte die abstrakten Expressionisten, Ulla lieber die Surrealisten. Und so sammelte man beide. Da Heiner Pietzsch „keinen Vater hatte, der ihm Millionen mitgab“ und sich vom Elektroinstallateur zum Unternehmer hocharbeitete, war das nicht immer einfach. Zum Graus der Finanzchefin wurden die Bilderkäufe aus dem laufenden Etat getätigt. Diese habe bei kostspieligen Erwerbungen schon mal geweint und sogar zu Notlügen gegriffen, erzählt er. Es half zum Glück nichts, die Sammlung wuchs und irgendwann stellte sich die Frage, was soll mal mit den Bildern geschehen? Die im Laufe von 50 Jahren Stück für Stück und unter großen Kämpfen und Problemen zusammengetragene Kollektion bei einer Auktion zu verscherbeln, hätte den beiden Sammlern das Herz gebrochen, sagt Heiner Pietzsch. Die beiden wollten das Richtige für die Sammlung tun: Sie in gute Hände zu geben, wo sie kuratorisch und „von der Wahrung der Schönheit der Bilder gut behandelt wird.“

Heiner Pietzsch
Heiner Pietzsch © SPK/Urban Ruths

Und hier schließt sich der Kreis, denn wenn es irgendwo in Berlin jemanden gibt, der das kann, dann bei den Staatlichen Museen zu Berlin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die die Bilder als Dauerleihgabe des Landes Berlin „in Pflege nehmen“. Das wusste Heiner Pietzsch sehr wohl, war er doch zehn Jahre lang Schatzmeister des Vereins der Freunde der Nationalgalerie und darum knüpfte er diesen Vorbehalt ebenfalls an die Schenkung.

Scheune hin oder her

Dass an eine Schenkung Bedingungen geknüpft sind, wurde bei der Dankesfeier im Übrigen ausdrücklich gelobt. Der Regierende Bürgermeister Müller befand den Druck von Seiten der Mäzenen für absolut notwendig und gut, weil sich sonst nichts bewegen würde. Berlin brauche Menschen, die nicht nur Zuschauer sind, sondern die an der Entwicklung der Stadt mitwirken, sich engagieren. Dem Ehepaar Pietzsch ist also auch ein stückweit zu verdanken, dass das Kulturforum bald mit einem neuen Museum bereichert und vollendet wird – auch wenn manche mit dessen Gestaltung nicht einverstanden sind. Dazu sagte Kulturstaatsministerin Grütters lapidar: „Scheune hin oder her – ich bin überzeugt davon, dass das großartig wird“.

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