Nofretete nach 3D-Scan

Perfektes Zusammenspiel: Digitalisierung in der Gipsformerei

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Die Gipsformerei ist eine Traditionseinrichtung - doch es liegt in der Natur ihrer Aufgabe der Sicherung und Reproduktion von Kulturgütern, dass neue Methoden schnell erprobt und implementiert werden. Werkstattleiter Stefan Kramer hat bereits einige Digitalisierungsprojekte betreut. Im Interview spricht er über seine Erfahrungen und das Zusammentreffen von alten und neuen Technologien.

Die Gipsformerei hat in der Vergangenheit bereits einige Digitalisierungsprojekte realisiert – was war das letzte große Projekt, an dem Sie gearbeitet haben? 

Stefan Kramer: Wir haben zuletzt längere Zeit an einem Projekt gemeinsam mit dem 3D-Labor des Instituts für Mathematik der TU Berlin gearbeitet. Es ging darum, die Teesalon-Figuren aus dem ehemaligen Berliner Stadtschloss einzuscannen und zu reproduzieren. Alle der insgesamt 14 Figuren wurden eingescannt und in verkleinerter Form digital ausgedruckt. Das Verfahren war ein 3D-Druck mit Gips Folie, dabei wird ein Pulver mit einer Flüssigkeit in Schichten gehärtet und es können recht gute Oberflächen erreicht werden. Es bleiben aber dennoch Druckspuren zurück. 

 

Nofretete nach 3D-Scan
Nofretete nach 3D-Scan; © Staatliche Museen zu Berlin, Daniel Hofer
Arbeit in der Gipsformerei
Ob bei 3-D-Drukcen oder bei traditionellen Abgüssen - in der Gipsformerei muss jedes Modell noch per Hand nachgearbeitet werden. © Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei / Fabian Fröhlich

Die Spuren des Drucks müssen dann in Handarbeit entfernt werden?

Genau. Wobei wir hier zunächst nur Probedrucke in einem kleineren Format gemacht haben. Die originalen Figuren sind 80 Zentimeter bis ein Meter groß. Aber wir können sie nicht in Originalgröße ausdrucken, da der Druckraum des Druckers an der TU Berlin nur ca. 35 mal 40 Zentimeter groß ist. Da kann man also entweder nur kleinere Projekte drucken oder man druckt Teile und fügt diese dann zusammen. 

Was ist die konkrete Zielsetzung des Projekts?

Der Nutzen des Projektes war erstmal zu schauen, wie man Objekte perfekt einscannen kann und wie die Druckqualität für unser Haus ist. Ein anderer Hintergrund war die digitale Archivierung. Wir haben bereits vorher einzelne ähnliche Projekte realisiert, z.B. die Nofretete, allerdings waren die nicht in der Größenordnung und nicht in Kooperation nicht mit der TU Berlin.

Was sind die größten Herausforderungen und Probleme bei der Arbeit an solchen Projekten?

Die große Schwierigkeit bei digitalisierenden Methoden wie Scan oder Streifenlicht-Verfahren ist, Vertiefungen und Unterschneidungen zu erfassen, die das optische Auge nicht erkennen kann. Wenn wir ein Objekt ansehen, können wir ja auch nicht auf Anhieb alles erkennen ohne uns zu bewegen oder das Objekt zu drehen und zu wenden. Man muss die Dinge in die Hand nehmen, mit der Lupe oder dem Spiegel genau nachsehen. Das kann ein optischer Scanner nur bedingt. Wenn wir Objekte mit Silikon abformen, füllt das Silikon jede Vertiefung. Das alles kann im digitalen Verfahren noch nicht wiedergegeben werden und kann so verloren gehen. Von daher ist der traditionelle Weg nach wie vor wichtig.

Gab es solche Herausforderungen auch beim Teesalon-Projekt mit der TU Berlin?

Es gab andere Herausforderungen. Am Anfang hat uns eine der 14 Figuren gefehlt, und zwar der Achill. Der war mal hier im Haus, ist aber verloren gegangen und wir wissen auch nicht, wo die Form geblieben ist. Das kommt vor, da unser Haus schon so lange existiert und zwei Weltkriege überstanden hat. Wir haben dann angefangen zu recherchieren, wo wir die Figur wieder her bekommen können. Dabei hat sich herausgestellt, dass mal zwei Abgüsse ausgeliefert wurden: einmal ins Tegeler Schloss, wo wir auch fündig wurden, und nach Weimar ins Goethehaus. Im Tegeler Schloss durften wir jedoch nicht an das Objekt heran und in Weimar durften wir es nur einscannen, was wir dann gemacht haben. Den Achill dann aber in Originalgröße wieder auszudrucken, hat sich als zu umständlich erwiesen. 

Eine richtige Detektivgeschichte …

Als wir weiter recherchiert haben, haben wir eine weitere Kopie in Potsdam gefunden, im Archiv der preußischen Schlösser und Gärten. Diese Kopie war in schlechtem Zustand, ihr fehlten ein Teil vom Fuß und die Speerspitze. Dieses Objekt konnten wir mit Silikon abformen und die fehlenden Teile dann aus dem zuvor eingescannten Modell zu ergänzen. So konnten wir diese Form wieder in unsere Sammlung zurückholen, das war ein wunderbares Nebenprojekt im Zusammenhang mit dem Teesalon-Projekt mit der TU Berlin.

Welchen Anteil haben solche Digitalisierungsprojekte mittlerweile an ihrem Arbeitsalltag und welche Vorteile und Veränderungen bringen sie mit sich?

Solche Projekte sind noch kein fester Bestandteil im Arbeitsalltag in der Gipsformerei. Wir versuchen aber, immer alle Möglichkeiten auszuschöpfen und neue digitale Methoden dementsprechend in unsere Überlegungen einzubeziehen. Bei Objekten, die sich mit herkömmlichen Methoden nicht mehr abformen lassen, ist es natürlich nützlich, sie einscannen und ausdrucken zu können. Aber für unser Arbeitspensum, das wir hier in der Werkstatt der Gipsformerei mit 15 Leuten haben, sind die neuen Methoden noch nicht ausgereift genug. 

In der Gipsformerei geht es in erster Linie darum, Duplikate herzustellen, die letzten Endes auch verkauft werden sollen. Finden Sie andere Projekte auch spannend, in denen Scans gemacht und online gestellt werden, um sie für alle Welt zugänglich zu machen?

Die Bestrebungen, Kulturgüter einzuscannen und zu archivieren, um damit auf der ganzen Welt zu arbeiten, Recherchen zu betreiben, Vermessungen zu machen, finde ich wunderbar. Was den Druck und die analoge Wiederbringung von Objekten angeht, steckt die Technologie meines Erachtens aber noch in den Kinderschuhen. Die Qualität ist nicht so gut, wie wir sie mit herkömmlichen Mitteln erreichen können. 

Liegt der Qualitätsverlust denn eher im Druck oder im Scan?

Er liegt im Druck. Wir haben neulich ein Relief im Polygonnetzverfahren gescannt. Das Ergebnis ist eine sehr glatte Fläche; wenn die Oberfläche eine homogene Farbe hat, sieht es sehr abstrakt aus. Erst wenn man die fotografische Textur und damit die Farbe darüber legt, sieht es naturgetreu aus. Man kann dann nicht mehr erkennen, ob es ein Original oder eine Kopie ist. Würde man es aber mit der glatten Oberfläche aus dem Scan ausdrucken und die Farbgebung wieder verlieren, wären keine Konturen mehr sichtbar denn der Computer kann das dreidimensional darstellen, aber er kann es mit dem Drucker so nicht wiedergeben. Wir waren überrascht, als wir die Renderings am Computer mit den Drucken verglichen haben. Wegen dieser Qualitätsunterschiede werden die traditionellen Techniken der Gipsformerei auch in absehbarer Zukunft noch notwendig sein. 

So wie die Maler, die in der Gipsformerei die Figuren anmalen und die Patina rekonstruieren ...

Genau. Und es gibt einige Bereiche, in denen diese handwerklichen Techniken unabdingbar sind. Denn wir sind als Gipsformerei nicht nur dafür da, um Objekte zu kopieren und neu herzustellen, sondern auch als Archiv für die historischen Objektzustände. Wir haben Modelle und Formen, die weit über 100 Jahre alt sind und von denen es aus der Vergangenheit nur Schwarz-weiß-Fotografien gibt. Viele dieser Objekte sind inzwischen verloren oder wurden beschädigt und nur durch unser Formenarchiv haben wir heute dreidimensionale Aufnahmen dieser alten Objektzustände.  

Sie rechnen in der Gipsformerei zukünftig also eher mit einem Zusammenspiel analoger und digitaler Technologien, um das beste Ergebnis zu erreichen?

Ja, ich denke das wird der Weg sein. Ich glaube auch nicht, dass das Ziel tatsächlich eine komplette Umstellung auf das Digitale ist: Manchmal will man eben Objekte ertasten, drehen, wenden und physisch erkunden. Dafür brauchen wir die analogen Stücke, die heute immer noch von großer Wichtigkeit sind.